Japan

Eine Reise der Superlative durch das fernöstliche Nippon

Die Mega-City Tokio ist im Sommer heiß, laut und hoffnungslos überfüllt. Darum heißt es gleich: „Ab in die Berge“ zu den hohen Gipfeln der Hauptinsel Honshu – allen voran der mythenschwere Fuji und die Bergriesen der Japanischen Alpen, die nicht nur Abkühlung, sondern auch ein spirituelles Erlebnis der besonderen schintoistischen Art garantieren. Reinigung und Erleuchtung pur beschert auch der Kumano Kodo – die japanische Variante des Jakobswegs.

JAPAN FEIERT SEINE BERGE

Am Donnerstag, 11. August 2016, feierte Japan den ersten „Mountain Day“. Der offiziell sechzehnte Feiertag Japans soll seitdem der notorisch überarbeiteten Bevölkerung „die Gelegenheit geben, sich in die Bergwelt zu begeben und dankbar für die Segnungen der Berge zu sein“, so lautet der offizielle Tenor des Gesetzestextes. „Japan feiert seine Gipfel“: Das ist der Slogan des Japanischen Alpenvereins und der Bergsportausrüster, die dank dieser Lobbyarbeit Jahr für Jahr ein sattes Umsatzplus auf der Habenseite verbuchen können. Am Wochenende nach diesem Ereignis steige ich heillos überfordert in Shinshuku aus der Metro. Die Hitze liegt wie eine große Glocke über Tokio und lässt bei 36 °C und tropischer Luftfeuchtigkeit sofort gewaltige Schwitzflecken auf meiner Kleidung entstehen.

ABENTEUER FUJI

An der sogenannten „Fünften Station“ auf 2305 Metern entließ uns der Bus ins Getümmel. Zu meiner Verwunderung ist der Fuji komplett schneefrei. „Das ist im Sommer normal“, sagt mein 63-jähriger Guide Hiroshi Tsushima lächelnd. Auch er hat neben seinem Kompass ein Handtuch um den Hals baumeln. „Der Fuji darf offiziell nur von Anfang Juni bis Ende August bestiegen werden, also in der schneefreien Zeit. Ansonsten ist es viel zu gefährlich.“ Fuji-Wasser in einer vulkankegelförmigen Flasche, Fuji-Kuchen mit Puderzucker besprenkelt, Fuji-Postkarten – die fünfte Station quillt über vor Fuji-Souvenirläden und -ständen. Der Yoshida-Trail quert zunächst gemächlich ansteigend den dichten Wald der nördlichen Hangflanke, erreicht bei knapp 2600 Metern Höhe die Baumgrenze. Im Zickzackkurs führt er auf schwarzer Lavaasche schließlich steil bergauf, häufig gestützt von massiven, nur begrenzt ansehnlichen Verbauungen. Auf der Hinodekan-Hütte legen wir eine kurze Pause ein. Zaria Pulluey, ein zwölfjähriges Mädchen aus Missouri, saugt gierig aus einer Sauerstoffflasche – ähnlich wie an einer Flasche mit Sprühsahne. „Wir sind auf Klassenfahrt und besuchen alle die amerikanische Schule in Tokio. Der Sauerstoff ist cool und hilft mir, denn irgendwie bin ich jetzt schon ziemlich k. o.“, gesteht sie freimütig. Ein rumänischgriechisches Pärchen auf Hochzeitsreise bestellt grünen Tee und eine Gruppe Jugendlicher aus Vietnam in Trainingsanzügen prostet sich unterdessen mit kühlem Dosenbier zu.

EINSAMKEIT AUF DEM KUMANO KODO

Auf dem Kumano Kodo – dem wichtigsten japanischen Pilgerweg – herrscht Einsamkeit. Libellen paaren sich in der Luft schwebend und Grashüpfer schwirren kreuz und quer über das kunstvoll angelegte Reisfeld. Meine zweite große Wanderung, der Kumano Kodo – etwa vier Zugstunden südlich von Tokio in der Provinz Wakayama -, entpuppt sich als mystisches Landschaftsmärchen. Gemeinsam mit seinem Schwesternpfad, unserem europäischen Jakobsweg, wurde er unlängst auch in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Die Tourismusbüros in Tanabe und in Santiago de Compostela arbeiten mustergültig zusammen. Sie bewahren die spirituelle Kultur von Asiens fernem Osten und Europas äußerstem Westen – und erhalten somit die großen Pilgerwege der aufgehenden und der untergehenden Sonne. Es gibt sogar einen gemeinsamen Pilgerausweis. Der wichtigste Pilgerweg Japans wird seit über 1000 Jahren von allen Mitgliedern der Gesellschaft – Arbeitern, Aristokraten und Herrschern – begangen. Letztere ließen sich allerdings meist in der Sänfte über die grünen Bergkuppen tragen. Wir starten bei Takahara im Tahijiri-Oji. Die Tempelanlage quillt über vor schintoistischen und buddhistischen Elementen, sie gilt als spirituelles Eintrittstor in die heiligen Berge der Kii-Halbinsel.

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